Zurück

22.12.2025

Grunderwerbsteuer: Steuertatbestand auch bei Verlängerung der Beteiligungskette erfüllt

Der Steuertatbestand des § 1 Absatz 2b Satz 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ist auch erfüllt, wenn nur die Beteiligungskette verlängert wird. Das hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg in Bezug auf eine Ausgliederung zur Aufnahme einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft aus einem Einzelunternehmen auf eine personenidentische Personengesellschaft entschieden. Für Erwerbsvorgänge nach § 1 Absatz 2b GrEStG komme eine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG nicht in Betracht, heißt es in dem Urteil weiter.

Geklagt hatte eine grundbesitzende GmbH, deren Anteile zu 100 Prozent von einem Einzelunternehmer (A) gehalten wurden. 2021 gründete A die C-KG, an der A als alleiniger Kommanditist beteiligt ist. Mit notariellem Vertrag von 2021 wurde das gesamte einzelkaufmännische Unternehmen des A mit allen Aktiva und Passiva auf die C-KG ausgegliedert. Gegenstand der Ausgliederung waren sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin. Dies führte dazu, dass die C-KG anstelle des A an der Klägerin beteiligt wurde. Die Ausgliederung wurde 2022 im Handelsregister eingetragen.

Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest. Durch die Ausgliederung sei die C-KG neue Alleingesellschafterin der Klägerin geworden. Infolgedessen seien die Grundstücke fiktiv auf die Klägerin als neue Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Absatz 2b GrEStG übergegangen. Die Klägerin meinte, es läge lediglich eine nicht nach § 1 Absatz 2b GrEStG steuerbare Verlängerung der Beteiligungskette vor, hilfsweise sei die Übertragung auf die C-KG nach § 5 oder § 6a GrEStG steuerfrei.

Das FG wies die Klage ab. Die Ausgliederung der Klägerin vom Einzelunternehmen des A auf die C-KG erfülle den Tatbestand des § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG.

Gehöre zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück und ändere sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand dergestalt, dass mindestens 90 Prozent der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gelte dies nach § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.

§ 1 Absatz 2b GrEStG sei gemäß § 23 Absatz 18 GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach dem 30.06.2021 – und somit auch hier – anwendbar. Der Gesellschafterbestand der Klägerin habe sich mit der Eintragung der Ausgliederung ins Handelsregister im Jahr 2022 zu 100 Prozent unmittelbar geändert. A sei als Einzelunternehmer unmittelbarer Altgesellschafter der Klägerin und daher mit Ablauf des 30.06.2021 zu 100 Prozent an der Klägerin beteiligt gewesen. Durch die Ausgliederung sei die C-KG als neue Alleingesellschafterin der Klägerin als unmittelbare Neugesellschafterin im Sinne des § 1 Absatz 2b GrEStG anzusehen. Es liege somit ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel vor.

Nach Ansicht des FG spielt es keine Rolle, dass hier lediglich die Beteiligungskette verlängert worden und der letztlich beteiligte Gesellschafter A identisch geblieben ist. Der Tatbestand des § 1 Absatz 2b Satz 1 GrEStG setze entweder eine unmittelbare oder eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes voraus. Liege eine unmittelbare Änderung vor, sei es irrelevant, dass der Altgesellschafter den Neugesellschafter beherrsche.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) komme es bei der hier vorliegenden unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands allein darauf an, ob ein zivilrechtlich wirksamer Übergang eines Mitgliedschaftsrechts einschließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen vorliege. Wirtschaftliche Gesichtspunkte seien ohne Bedeutung. Lediglich bei der mittelbaren Änderung scheide eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestandes gebe. Insofern sei die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung, ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes vorliege, durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und stelle keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 (GG) Grundgesetz dar.

Gehe ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so werde die Steuer nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Diese Vorschrift sei bereits nach dem Wortlaut nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, so das FG. Die streitgegenständlichen Grundstücke blieben zwar zivilrechtlich im Eigentum der Klägerin. Grunderwerbsteuerrechtlich fingiere § 1 Absatz 2b GrEStG jedoch einen Erwerbsvorgang an den Grundstücken von der Kapitalgesellschaft vor Änderung des Gesellschafterbestands auf die Kapitalgesellschaft nach Änderung des Gesellschafterbestands. Sei an diesem (fiktiven) Vorgang keine Gesamthandsgemeinschaft beteiligt, komme eine Steuerbefreiung nach § 5 GrEStG im Rahmen des § 1 Absatz 2b GrEStG nicht in Betracht.

§ 5 Absatz 2 Satz 1 GrEStG sei auch nicht analog anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Absatz 2b GrEStG ergebe, habe der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften erkannt und sich bewusst dafür entschieden, dass die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände und Nichterhebungsregelungen auf Kapitalgesellschaften keine Anwendung finden sollen. Es liege (jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt) auch kein Verstoß gegen Artikel 3 GG vor. Der BFH habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Beschränkung der Steuerbefreiungen aus § 5 GrEStG auf Gesamthandsgemeinschaften verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Nach § 6a Satz 1 GrEStG werde unter anderem für einen nach § 1 Absatz 1 Nr. 3 Satz 1, Absatz 2 bis 3 oder Absatz 3a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 1 bis 3 Umwandlungsgesetz (UmwG) die Steuer nicht erhoben.

§ 1 Absatz 1 Nr. 2 UmwG betreffe zwar die im Streitfall vorliegende Ausgliederung. Die Nichterhebung der Steuer setze nach § 6a Satz 3 GrEStG jedoch auch voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Im Sinne von § 6a Satz 3 GrEStG abhängig sei nach § 6a Satz 4 GrEStG eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 Prozent ununterbrochen beteiligt sei.

§ 6a Satz 4 GrEStG sei dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Fristen nur insoweit eingehalten werden müssten, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei Umwandlungsvorgängen zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen müsse daher in Fällen der Ausgliederung zur Neugründung nur die Nachbehaltensfrist eingehalten werden, so das FG.

Im Streitfall liege keine Ausgliederung zur Neugründung, sondern eine Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Absatz 3 Nr. 1 UmwG) vor. Die C-KG sei nicht erst durch die Eintragung der Ausgliederung in das Register am Sitz des übertragenden Rechtsträgers neu gegründet worden. Vielmehr sei sie schon drei Wochen vor der notariellen Beurkundung des Ausgliederungsvertrages gegründet worden. Insofern sei die Einhaltung der Vorbehaltensfrist hier nicht aus Rechtsgründen aufgrund des Umwandlungsvorgangs unmöglich. Sie müsse somit beachtet werden.

Die Vorbehaltensfrist werde bezüglich der C-KG nicht eingehalten. A sei als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG noch keine fünf Jahre vor dem Ausgliederungsvorgang an der C-KG mittelbar oder unmittelbar zu mindestens 95 vom Hundert beteiligt gewesen. Die C-KG sei nur drei Wochen vor dem Ausgliederungsvorgang gegründet worden und kein abhängiges Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 4 GrEStG. Infolgedessen seien an dem streitgegenständlichen Umwandlungsvorgang nicht ausschließlich mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt gewesen.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.04.2024, 5 K 1696/23